Die Filmemacherin Helke Sander. Foto: ©Helke Sander, Claudia Richarz Film, Verleih.
Silvia Hallersleben
epd filmDie Tomatenrede
Frankfurt, 13. September 1968. Auf dem Delegiertenkongress des SDS hält Helke Sander ihre legendären ‚Tomatenrede‘. Ihre Genossin Sigrid Rüger bewarf die Männer auf dem Podium mit Tomaten.
„Wir werden uns nicht mehr damit begnügen, dass den Frauen gestattet wird, auch mal ein Wort zu sagen, das man sich, weil man ein Antiautoritärer ist, anhört, um dann zur Tagesordnung überzugehen.“ Eine gesellschaftliche Veränderung ist ohne Veränderung der Rolle der Frauen in der Gesellschaft nicht möglich ist. Das Private ist politisch. „Sie versuchen uns unterzujubeln, dass wir behaupten, wir könnten uns auch alleine emanzipieren – ohne die Männer – und all den Schwachsinn, den wir nie verbreitet haben. Sie pochen darauf, dass auch sie unterdrückt sind, was wir ja wissen. Hier notiert das Protokoll Gelächter.“
Die neue deutsche Frauenbewegung beginnt.
Foto: Filmstill.
Foto: Filmstill.
Der Dokumentarfilm „Helke Sander: Aufräumen“ von Claudia Richarz porträtiert eine Pionierin des Feminismus.
Der Film
Aus dem Pressetext: „Die Filmemacherin und Autorin Helke Sander ist eine Ikone nicht nur der Frauenbewegung, sondern auch des neuen deutschen Films. Historische Umwälzungen brauchen manchmal nur einen kleinen Impuls, der die versteinerten Verhältnisse plötzlich in Bewegung bringt.
Helke Sander hat vor vielen Jahren eine solche erdrutschartige Veränderung in Deutschland ausgelöst.
1967 wird Helke Sander Mitglied beim Sozialistischen Deutschen Studentenbund. Die Situation der Frauen in der Gesellschaft ist dort kein Thema, auch unter den Frauen nicht. Sie gründet zusammen mit Marianne Herzog den Aktionsrat zur Befreiung der Frauen sowie die Kinderläden in Berlin. Unbezahlte Care-Arbeit, zu wenige Betreuungsangebote für Kinder, kaum Unterstützung durch die Männer bei der Kindererziehung – diese Themen sind auch heute noch, viele Jahre später, aktuell. Auf dem Delegiertenkongress des SDS im September 1968 erklärt sie in ihrer legendären ‚Tomatenrede‘, dass eine gesellschaftliche Veränderung ohne die Befreiung der Frauen nicht möglich ist. Das Private ist politisch. Die Männer kommentieren ihre Rede mit höhnischem Gelächter. Aber die neue deutsche Frauenbewegung beginnt.
Wie viele Künstlerinnen konnte sie ihre Filme nur mit Hartnäckigkeit und gegen Widerstand drehen. Viele Projekte blieben unrealisiert, die Finanzierungen gelangen nicht. Dazu sagt ihre Weggenossin Gesine Strempel im Film: „Was Frauen wollen, ist vielen Männern sehr fremd. Es besteht ein von Männern geprägter gesellschaftlicher Konsens, was Kultur ist und was nicht.“
Helke Sander war ein Leben lang politisch aktiv und sperrig. Sie hat viele Errungenschaften für Frauen, die uns heute selbstverständlich sind, angestoßen und umgesetzt: „Wer nachdenkt, radikalisiert sich auch.“ Claudia Richarz spürt im Film nach, was das für Sanders eigenes Lebensgefühl, den eigenen Sohn und die Liebe bedeuten mag. Der Film verbindet mit eindrucksvollen Filmausschnitten aus Sanders Werk ihr künstlerisches Schaffen mit ihrem Leben.
Hinter Sanders emanzipierter Haltung steht die kontinuierliche Aufforderung, nachzudenken, vermeintliche Selbstverständlichkeiten nicht hinzunehmen und unabhängig von dem, was andere für richtig halten, auch immer auf sich selbst zu hören.
Heute, mit über 80 Jahren, räumt Helke Sander auf. Das Kleid, das sie als junge Frau so gern getragen hat, als sie Anfang der 1960er Jahre in Finnland lebte, die prähistorischen Venusstatuen mit großen Brüsten und voluminösen Bäuchen, die Frauen als Mütter feiern, und natürlich Exemplare der Zeitschrift Frauen und Film, die sie 1974 gegründet hat. “Aufräumen hat ja auch eine innere Bedeutung, etwas Transzendentes“.„
Ein Film über den Kampf gegen Unterdrückung und für die Rechte der Frauen. Der Kinostart ist am 7.3.2024.
Im Programm von LETsDOK
Wir hoffen, Claudia Richarz und Helke Sander bei Filmgesprächen im Rahmen der LETsDOK Dokumentarfilmtage begrüßen zu können.